Online-Werbung ist nicht gleich Online-Werbung und Print nervt überhaupt nicht

«Digital Marketing – weitgehend wirkungslos» behaupteten die Redaktoren eines Schweizer Druckmarktmagazins im letzten Herbst. Sie bezogen sich auf die Einsparung von gerüchteweise über 100 Millionen Dollar des Konzerns Procter & Gamble in der Online-Werbung, die effektiv ohne Wirkung blieb. Im Editorial zitieren die Autoren auch den Finanzchef des Konzerns, Jon Moeller. Dieser sagte im Original: «Das zeigt mir, dass die Ausgaben, die wir gekürzt haben, weitgehend wirkungslos waren». Interpretiert wurde seine Aussage mit «Das beweist, dass Digital-Marketing weitgehend wirkungslos ist».

Gefolgt wird diese doch ziemlich freie Übersetzung von Moellers Aussage mit dem Beispiel von Pepsi, wo die vollständige Umlagerung des Marketing-Budgets zur Facebook-Seite einen Umsatzrückgang verursachte. (Wer übrigens die «Procter & Gamble»-Geschichte journalistisch aufbereitet lesen möchte, wird bei der «Luzerner Zeitung» fündig.)

Online nervt. Immer?

«Lauterkeitskommission: Viele ärgern sich über Online-Werbung» vermeldete der «Klein Report» vor Kurzem. Und weiter: «82 Beschwerden landeten letztes Jahr auf dem Tisch der Schweizerischen Lauterkeitskommission (SLK). Davon betrafen 38 Prozent der Beschwerden unlautere Online-Werbung» (Quelle). Auch daraus schloss man in der Print-Branche schnell und frohen Mutes, dass es Online-Werbung nicht bringt.

Doch Online-Werbung ist nicht gleich Online-Werbung und gerade im ersten Artikel werden Äpfel mit Steinen verglichen (sorry, Birnen wären zu ähnlich). Dieses Denken zeugt von analoger Werbevorstellung, denn früher war ein Inserat ein Inserat. Am liebsten mit strikter Trennung von Werbebotschaften und dem redaktionellen Teil. Mischformen gab es höchstens als Publireportagen, die dann klar als solche gekennzeichnet wurden. Die Online-Welt ist jedoch komplexer. In erster Linie müssen Online-Werbung und Online-Marketing unterschieden werden.

Formen der Online-Werbung

Bei der Werbung, welche Procter & Gamble gestrichen hatte, handelt es sich um Bannerwerbung. Banner sind gestaltete, rechteckige Formate, die mit einem Link hinterlegt werden können. Banner gelten seit Beginn der Online-Werbung als Format mit sehr schlechter Performance. Sie werden als nervig wahrgenommen und oft ausgeblendet. Das wiederum verleitete Anbieter dazu, mit automatischen Klick- und View-Programmen Relevanz vorzutäuschen. Viele solche Betrugsmachenschaften sind in den letzten zwei Jahren aufgedeckt worden. Da Banner jedoch als einziges Werbeformat die klassische Inserategestaltung übernehmen, werden sie oft von Kunden nachgefragt und entsprechend noch von vielen Agenturen angeboten.

Weitere Formen der Online-Werbung werden von den meisten Internet-Nutzern aber gar nicht als Werbung wahrgenommen. Anzeigen in Google beispielsweise. Nicht allen ist bewusst, dass die ersten zwei bis fünf Resultate in der Google-Suche Anzeigen sind. Weitere Werbeformen, die weit verbreitet und auch sehr effektiv sind: Gesponserte Facebook-Posts oder Tweets, Native Advertising (die Online-Variante der Publireportagen), Online-Gewinnspiele und andere Wettbewerbe, die Internet-Nutzer dazu auffordern, eigene Beiträge zu erstellen und einzureichen.

Ebenfalls im Trend und nicht immer klug gelöst sind Retargeting-Inserate, welche einem Internet-Nutzer auf Facebook oder anderen Websites Werbung für Produkte anzeigen, für die man sich kürzlich interessiert hat. Nervig sind solche Inserate vor allem dann, wenn man das Produkt erworben hat und es anschliessend über mehrere Wochen oder gar Monate immer wieder an prominenter Position präsentiert bekommt. Das ist jedoch ein Fehler der Agentur/des Werbetreibenden und nicht des Werbeformats an sich.

Als sehr nervig werden Pop-up-Inserate empfunden, die auf dem PC oder dem Handy als überlappendes Fenster erscheinen, wenn man auf eine bestimmte Website surft.

Formen des Online-Marketings

Auch im Online-Marketing gibt es Formate, die schnell nerven, und solche, die willkommen sind. Heikel sind beispielsweise Online-Mailings und unverlangt versandte Newsletter. Sie verletzen bei unseren europäischen Nachbarn sogar rechtliche Bestimmungen im Rahmen des Anti-Spam-Gesetzes. Auf einer Erfolgswelle reitet hingegen das Content-Marketing, bei welchem für die Leser relevante Inhalte über diverse Kanäle (auch crossmedial) verbreitet werden. Eine gelungene Content-Marketing-Strategie hat beispielsweise BMW vor Kurzem lanciert. Auf www.bmw.com sind im Magazinstil Reportagen, Videos und konkrete Tipps zur Fahrsicherheit zu finden.

Etwas heikler ist hingegen das Influencer-Marketing. So wie man bisher Media-Relations betrieben hat, knüpft man im Influencer-Marketing Kontakte zu Internet-Publishern, die eine hohe Glaubwürdigkeit in einem bestimmten Segment aufweisen. Heikel wird diese Form des Online-Marketings, wenn sich die Influencer mit kostenlosen Produkten oder gar Geldsummen bezahlen lassen, um über Produkte zu schreiben. Dann nämlich werden internationale Bestimmungen bezüglich Schleichwerbung verletzt.

Weitere Formen des Online-Marketings sind Social-Media-Marketing, Video-Marketing, Suchmaschinenmarketing, Preissuchmaschinen-Marketing, Affiliate-Marketing (Produkte-Vermittler) und auch die eigene Website läuft unter Online-Marketing. Und die ist nun sicher alles andere als wirkungslos, um auf die Anfangsbehauptung nochmals einzugehen.

Und Print?

Im Online-Bereich stehen wir also vor einer sehr komplexen Situation, bei der sich die Formate sehr stark in Wirkung und Kosten unterscheiden. Doch das ist aus werberischer Sicht auch im Print-Bereich der Fall. Auch hier lassen sich Inserate in allen Erscheinungsformen, Publireportagen, Fachartikel-Marketing und Beilagen nicht 1:1 miteinander vergleichen. Und auch zwischen den einzelnen Print-Publikationen bestehen sehr grosse Unterschiede. Die einen verlieren an Reichweite und damit an Werbeattraktivität, die anderen legen stetig zu, wie beispielsweise Gratiszeitungen, aber weisen kaum oder nur wenig Glaubwürdigkeit auf.

Natürlich nervt Print-Werbung weniger als manche Online-Werbeformate. Schliesslich kann man eine Seite, die gerade nicht interessiert, einfach umblättern. Eine Pop-up-Werbung, die sich über den Artikel legt, den man online gerade liest, stört hingegen massiv bei der aktuellen Tätigkeit. Dafür ist die effektive Wirkung von Print-Inseraten immer wieder umstritten. Doch wer im richtigen Produkt für sein Unternehmen in positiver Art wirbt, darf den Erfolg nicht nur an den direkten Rückläufen kurz nach der Erscheinung messen. Langfristige Effekte wie Wiedererinnerung und Schaffen einer positiven Grundstimmung bei den Lesenden sind ebenso zu berücksichtigen, wenn auch nicht so einfach zu messen.

Schlussendlich gilt in Marketing und Werbung immer: Am Anfang steht die Entwicklung einer sinnvollen Strategie. Und die muss unbedingt die Bedürfnisse der Kunden berücksichtigen. Nur wer weiss, was seine Zielgruppe wann wo lesen und sehen möchten, kann erfolgreich werben. Gute Fachartikel lassen sich hervorragend mit grossformatigen Image-Inseraten in Print-Publikationen kombinieren, relevante Online-Inhalte auf der Website ebenso effektiv mit Werbung für diese Inhalte auf Facebook und bei Google. Und eine hochwertige Print-Publikation eines Unternehmens wird durch Newsletter und Social Media sinnvoll ergänzt.

2018 gibt es jedoch keinen Platz mehr für Silodenken im Sinne von Online vs. Print. Punkt.

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