Nachhaltigkeit war gestern. Cradle to Cradle kann Unternehmen helfen, den Rohstoffkreislauf ihrer Produkte zu optimieren. Allerdings: zwischen gut gemeintem Ansatz und irreführendem Greenwashing ist es ein schmaler Grat.
Bei CtC geht es darum, Produkte am Ende des Lebenszyklus ohne grosse Verluste wieder in einen technischen (Recycling) oder/und einen biologischen (Kompostierung) Kreislauf zu bringen. Im biologischen Kreislauf zirkulieren Güter wie Naturfasern, Reinigungsmittel oder biologisch abbaubare Verpackungen. Sie werden zu Kompost oder anderen Nährstoffen, aus denen neue Produkte entstehen. In einem technischen Kreislauf Güter wie beispielsweise Elektronikartikel oder Baumaterialien. Diese Produkte werden bereits im Design- und im Herstellungsprozess als Ressourcen für die nächste Nutzungsphase optimiert. Materialien können nach ihrer Nutzung in sortenreine Ausgangsstoffe zerlegt und optimal recycelt werden, Qualitätsverlust wird vermieden. Je nachdem wie wenig Verluste es in diesen Kreisläufen gibt, bekommt ein Produkt ein Cradle-to-Cradle-Zertifikat Bronce bis Platinium.
Nachhaltigkeit in der Druckindustrie
Man kann davon ausgehen, dass jeder Papierproduzent ein Cradle-to-Cradle-Zertifikat bekäme, würde er sich darum bemühen. Das macht darum wenig Sinn, weil Papier das Recyclingprodukt per-se ist. Und natürlich ist Papier auch kompostierbar, es besteht im Wesentlichen aus Pflanzenfasern und Kreide. Papier war so gesehen schon ein CtC-Produkt, bevor dieser Begriff erfunden wurde.
Die Papiere, die CtC-zertifiziert sind, stammen aus den exakt gleichen Produktionsprozessen wie solche ohne Logo. Es gibt – und es braucht daher auch keine – spezielle CtC-Papierproduktion, siehe oben. Beim Papiereinkauf auf das CtC-Logo zu achten, wäre wie wenn man ausschliesslich Mineralwasser mit dem Vegan-Logo kaufen würde.
Zwei Cradle to Cradle-Beispiele
Die Munken-Serie des Papierherstellers Arctic ist CtC-Silber-zertifiziert. Ob und was sich für diese Zertifizierung bezüglich Einkauf der Grundstoffe oder Produktionsprozess änderte, wird nicht kommuniziert. Auch auf der Website sind kaum Unterschiede zu den anderen Papieren durch die CtC-Zertifizierung ersichtlich (Link). Wie erklärt nun eine Druckerei ihren Kunden, was genau der Unterschied von Munken-CtC gegenüber anderen Papieren ist?
So wirbt zum Beispiel ein Schweizer Mitbewerber mit seinen CtC-Verpackungen, die für Produkte und Lebensmittel vollständig recyclebar sein sollen und sich sogar zur Kompostierung eignen. Welcher Karton jedoch als Grundlage für die Verpackungen zum Einsatz kommt, wird nicht kommuniziert. Da es fast unmöglich ist, dass ein Kartonhersteller für eine oder zwei Druckereien spezielle CtC-Produkte in allen Grammaturen herstellt, ist zu vermuten, dass es sich um normalen Karton handelt, der unter anderen Marken in der exakt gleichen Qualität auf dem Markt ist. CtC würde sich in dem Fall vor allem auf Druck und Veredelung beziehen.
Der Endkunde als CtC-Entscheider
Schlussendlich ist ein Produkt nur so nachhaltig, wie der Rückfluss in den Kreislauf funktioniert. Während beim normalen Altpapier-Recycling dieser Rückfluss bei über 90 Prozent liegt, sind vollständig recyclebare Produkte noch mehrheitlich unbekannt. Die Gefahr ist also gross, dass CtC-zertifizierte Papierschaften und Karton-Verpackungen in der normalen Recycling-Schlaufe landen und somit aus umweltschützerischer Sicht keine Vorteile gegenüber nicht zertifizierten Produkten aufweisen. Denn damit die nicht recyclebaren Stoffe beispielsweise beim Papierrecycling kompostiert werden könnten, müsste alles recyclete Papier CtC-zertifiziert sein. Und bei Lebensmittelverpackungen ist die Gefahr gross, dass sie wie gewohnt über den normalen Hausmüll entsorgt werden.
Greenwashing als Marktvorteil
Dennoch wird nun auch in der Druckindustrie Werbung mit CtC-zertifizierten Produkten betrieben. Nach unserer Überzeugung ist das Greenwashing. Wenn CtC keinen dokumentierten Vorteil gegenüber dem Standardprodukt bringt (also jedem anderen vergleichbaren Produkt der gleichen Fabrik), dann ist CtC irrelevant. Bei fertigen Drucksachen sieht es anders aus. Dort wird beispielsweise auf abbaubare Druckfarbe oder auf ein intelligentes Produktdesign wie der Art der Bindung gesetzt. Ist die ganze Herstellung CtC-zertifiziert, so ist die Vermarktung davon gerechtfertigt.
Beim Druckprodukt hat das CtC-Zertifikat also einen ökologischen Vorteil, den man natürlich auch ohne Zertifikat umsetzen könnte. Papier allein als CtC zu deklarieren, ergibt aus den genannten Überlegungen keinen Sinn aber auch keinen Mehrwert. Wenn, dann muss ein ganzer Kreislauf geschlossen werden, der es heute nicht ist. Bei Papier existiert dieser Kreislauf schon lange.
Zum Bild: Cradle to Cradle macht vor allem da Sinn, wo noch kein Wertstoffkreislauf vorhanden ist. Papier ist das Recyclingprodukt per-se. (© Can Stock Photo / Basketman23)
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